Als KI-Engineer beobachte ich mit grossem Interesse, wie ChatGPT und ähnliche Systeme den Bildungssektor verändern. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt dies eindrücklich: Während im Jahr 2020 das Wort "delve" (eintauchen) in nur etwa 200 akademischen Arbeiten vorkam, findet es sich 2023 in über 800.000 Papers - ein klares Indiz dafür, dass KI-Systeme bereits massiv in der akademischen Textproduktion eingesetzt werden.
An der Universität Zürich, wo ich Artificial Intelligence studiert habe, erlebte ich den Einzug von ChatGPT hautnah mit. Die Reaktionen waren bezeichnend: Während Studierende das Tool kreativ für Verständnisfragen, Code-Reviews und Textverbesserungen nutzten, reagierten viele Institutionen mit kategorischen Verboten. Diese Verbote erweisen sich jedoch als problematisch, da sie einen "Digital Divide" schaffen: Studierende, die das Tool trotz Verbot nutzen, haben einen klaren Vorteil gegenüber jenen, die sich an die Regeln halten.
Die eigentliche Herausforderung liegt tiefer: Wenn ein KI-System binnen Sekunden Wissen reproduzieren kann, das wir Studierenden mühsam beibringen, müssen wir uns fragen, ob wir die richtigen Dinge lehren. Ein Blockchain-Kurs beispielsweise sollte sich vielleicht weniger auf die Vermittlung von Faktenwissen konzentrieren, das ChatGPT perfekt beherrscht, sondern auf Innovation und kritisches Denken - Fähigkeiten, bei denen KI-Systeme noch deutliche Schwächen zeigen.
Noch komplexer ist die Situation in der Grundschule. Hier geht es oft nicht primär um das Endprodukt - etwa einen Aufsatz über Kafkas "Die Verwandlung" - sondern um den Denkprozess dahinter. Wenn Schüler ChatGPT nutzen, um Interpretationen zu generieren, lernen sie möglicherweise nie die fundamentalen Fähigkeiten des kritischen Denkens und der Textanalyse.
Durch meine persönlichen Einblicke in den Lehreralltag sehe ich, wie intensiv und vielschichtig dieser Beruf ist. Lehrpersonen sind gleichzeitig Pädagogen, Bezugspersonen und Wissensvermittler. KI könnte hier entlasten, etwa bei der zeitaufwendigen Korrektur von Arbeiten, und so mehr Raum für die wichtigen zwischenmenschlichen Aspekte des Unterrichts schaffen.
Das traditionelle System der Leistungsbewertung durch Prüfungen und Noten erscheint zunehmend überholt. Eine Lehrperson, die ihre Schüler über Jahre begleitet, kann deren Fähigkeiten oft besser einschätzen als standardisierte Tests. Statt starrer Notensysteme könnten qualitative Beurteilungen und persönliche Gespräche am Ende eines Schuljahres wertvoller sein.
Ein vielversprechender Ansatz ist der Einsatz von KI als interaktives Lerntool. Statt dass Schüler erst Wochen nach einer Prüfung Feedback erhalten, könnte KI unmittelbare Rückmeldungen geben und den Lernprozess individuell unterstützen. Das System könnte sich an das Lerntempo des einzelnen Schülers anpassen und so lange mit ihm arbeiten, bis ein Konzept wirklich verstanden ist.
Die Integration von KI in den Bildungssektor erfordert mehr als nur technische Anpassungen - sie verlangt nach einer grundlegenden Neuausrichtung unseres Verständnisses von Bildung. Statt KI als Bedrohung zu sehen, sollten wir sie als Chance begreifen, uns auf die wirklich wichtigen Aspekte des Lernens zu konzentrieren: kritisches Denken, Kreativität und soziale Kompetenzen.
Die Herausforderung wird sein, KI so in den Unterricht zu integrieren, dass sie das Lernen unterstützt, ohne den wichtigen Prozess der eigenständigen Entwicklung zu untergraben. Dabei müssen wir sicherstellen, dass der Zugang zu diesen Tools fair und gleichberechtigt ist, um neue digitale Ungleichheiten zu vermeiden.
Diese Episode von Attention Heads zeigt: KI im Klassenzimmer ist weder reine Revolution noch reines Risiko - sie ist eine Realität, mit der wir konstruktiv umgehen müssen.
KI transformiert den Universitätsalltag grundlegend: Studierende nutzen Tools wie ChatGPT für Verständnisfragen, Code-Reviews und Textverbesserungen. Dies führt zu einem 'Digital Divide' zwischen Studierenden, die KI nutzen, und jenen, die sich an Verbotsrichtlinien halten. Die massive Zunahme bestimmter Formulierungen in akademischen Arbeiten (z.B. 'delve' von 200 auf 800.000 Verwendungen) zeigt den bereits starken Einfluss von KI auf die akademische Textproduktion.
In der Grundschule liegt die Hauptherausforderung darin, dass KI den wichtigen Lernprozess und die Entwicklung fundamentaler Fähigkeiten beeinträchtigen könnte. Wenn Schüler KI für Aufgaben wie Textinterpretationen nutzen, besteht die Gefahr, dass sie wichtige Fähigkeiten wie kritisches Denken und eigenständige Textanalyse nicht ausreichend entwickeln. Der Fokus muss auf dem Lernprozess statt auf dem Endprodukt liegen.
Die Rolle der Lehrpersonen entwickelt sich durch KI weiter: Sie können sich stärker auf pädagogische und zwischenmenschliche Aspekte konzentrieren, da KI administrative Aufgaben wie Korrekturen übernehmen kann. Lehrpersonen werden zunehmend zu Lernbegleitern und Mentoren, die die persönliche Entwicklung ihrer Schüler fördern, statt sich auf reine Wissensvermittlung zu konzentrieren.
Traditionelle Notensysteme und standardisierte Tests werden zunehmend durch qualitative Beurteilungen und persönliche Gespräche ergänzt oder ersetzt. Der Trend geht zu kontinuierlicher, individueller Leistungsbeurteilung durch Lehrpersonen, die ihre Schüler über längere Zeit begleiten. KI kann dabei helfen, unmittelbares Feedback zu geben und den Lernfortschritt individuell zu tracken.
KI kann als interaktives Lerntool fungieren, das unmittelbares Feedback gibt und sich an das individuelle Lerntempo anpasst. Das System kann Konzepte so lange wiederholen und aus verschiedenen Perspektiven erklären, bis sie verstanden sind. Dies ermöglicht personalisiertes Lernen und kontinuierliche Unterstützung ausserhalb des Klassenzimmers.
Im KI-Zeitalter sollten besonders kritisches Denken, Kreativität und soziale Kompetenzen gefördert werden - Fähigkeiten, bei denen KI-Systeme noch Schwächen zeigen. Der Fokus sollte weniger auf der Vermittlung von Faktenwissen liegen, das KI leicht reproduzieren kann, sondern auf Innovation, Problemlösung und der Fähigkeit, Wissen praktisch anzuwenden.
Um digitale Ungleichheit zu vermeiden, ist ein fairer und gleichberechtigter Zugang zu KI-Tools wichtig. Dies erfordert klare Richtlinien für die KI-Nutzung, entsprechende technische Ausstattung in Schulen und die Schulung von Lehrpersonen und Schülern im Umgang mit KI. Kategorische Verbote sollten vermieden werden, da sie oft zu versteckter, ungleicher Nutzung führen.
Das Bildungssystem benötigt eine grundlegende Neuausrichtung: Lehrpläne müssen überarbeitet werden, um KI sinnvoll zu integrieren. Bewertungssysteme sollten modernisiert und Unterrichtsmethoden angepasst werden. Wichtig ist auch die Entwicklung neuer pädagogischer Konzepte, die KI als Unterstützungstool einbeziehen, ohne den menschlichen Aspekt des Lernens zu vernachlässigen.
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